Heimische Wildtiere im eigenen Garten fotografieren mit Richard Peters

Wir alle verbringen im Moment viel mehr Zeit zu Hause als sonst – die perfekte Gelegenheit, die Natur und Tierwelt um uns herum zu geniessen! Bei dieser #Createyourlight Challenge geht es nach draussen. Richard Peters zeigt euch, wie ihr heimische Wildtiere, direkt vor der eigenen Haustür, fotografieren könnt.
Wer einen Garten hat, weiss, dass er es mit einem blühenden Mini-Naturreservat für Vögel, Säugetieren und Insekten zu tun hat. Aber auch ohne eigenen Garten: Jeder Aussenraum taugt zum Fotografieren, ob vom Balkon aus oder im nahegelegenen Park. Fotografiere Bienen, die sich in einer Topfpflanze tummeln, nehme Vögel vom Balkon aus in den Fokus oder mache ein Projekt daraus, Spinnen zu fotografieren. Mit etwas Vogelfutter, frischem Wasser oder ein paar Pflanzen steigt die Chance auf wilde Besucher.

Tipp 1: Weiter denken

Viele Fotografen denken, ein Teleobjektiv sei die einzige Möglichkeit, Wildtiere zu fotografieren. Klar, für Porträts von Tieren, die weit entfernt sind, wo man den Hintergrund unscharf abbilden will. In kleineren Räumen ist man aber einfach nicht weit genug weg vom Motiv für lange Teles. Also: Statt langer Brennweiten setzen wir für die Tierfotografie zu Hause deutlich weitwinkligere Objektive ein. Das Einbeziehen der Umgebung ist ein Bildstil, der in der Wildnis tatsächlich sehr gut funktioniert. Zuhause gilt das ganz besonders: Wenn wir uns auf ein kleines Thema beschränken und den Garten dahinter zeigen, bekommen wir einen echten Eindruck davon, wie diese kleinen Tiere die Welt sehen. Das Ergebnis ist ein viel stärkeres Bild als ein Porträt auf einem sauberen Hintergrund. Ein Porträt mit komplett unscharfem Hintergrund kann überall aufgenommen worden sein. Weitwinkelaufnahmen können viel intimer wirken und ein Gefühl von Ort und Massstab vermitteln. Bei Weitwinkelaufnahmen ist der Hintergrund ebenso wichtig wie das Motiv. Stellt also sicher, dass alle Elemente innerhalb des Rahmens das Hauptmotiv und einander ergänzen. Führungslinien und Objekte in unterschiedlichen Entfernungen können eine Rolle spielen, um die Tiefe und Wirkung des Fotos zu verstärken.
Für meine erste Aufnahme habe ich meinen Schuppen auf die eine Seite des Bildes und meine Gartenbank auf die andere genommen, sodass das Eichhörnchen von beidem eingerahmt wurde. Bei meiner zweiten Aufnahme hielt ich das Eichhörnchen auf seinem Weg nach unten zur Kamera fest. Hier sorgt der Schuppen für Linien im Bild, die von den Rändern zur Mitte führen. Dies verleiht dem Bild Tiefe, da der Schuppen zusammen mit dem Baum dahinter aus dem Schärfebereich herausfällt und den Blick in den blauen Himmel lenkt.
Bei dieser Technik müsst ihr die Kamera ferngesteuert auslösen. Stellt sicher, dass ihr eure Kamera möglichst im geräuschlosen Aufnahmemodus verwendet (wie ich es mit der Z 7 getan habe), da Gartentiere durch das Klacken des Auslösers verschreckt werden können. Der andere Vorteil von Weitwinkelaufnahmen besteht darin, dass im Gegensatz zu Teleobjektiven keine grosse Blende erforderlich ist, da wir eigentlich Tiefe schaffen wollen. Es ist also nicht ungewöhnlich, bei f5,6 bis f9 zu fotografieren.

Tipp 2: Dem Licht folgen

Die Beleuchtung ist für das Foto entscheidend: Das richtige Licht kann selbst das banalste Motiv in etwas Schönes verwandeln. Wir sollten nicht in die Falle tappen, ein Motiv in nur einem Licht zu fotografieren und damit denken, dass wir fertig sind. Denn das Licht bewegt sich tagsüber durch den Garten – und damit auch die Schatten. Ein Bereich des Gartens, der morgens noch langweilig wirkt, kann am späten Nachmittag magisch aussehen und umgekehrt. Und auch der Sonnenstand ändert sich: Vielleicht ist der perfekte Lichtstrahl erst nächste Woche am exakt richtigen Ort.
Werfen wir einen Blick auf einige verschiedene Arten von Umgebungslicht.

Geflecktes Licht

Mit einem schönen grossen Baum im Garten kann man die Vorteile von geflecktem Licht voll ausschöpfen: Nutzt das Licht-Schatten-Spiel, das sich ergibt, wenn das Licht durchs Blätterdach fällt. Am frühen Morgen oder am späten Abend sorgt das warme Licht für „goldene Motive“, die aus den Schatten auftauchen. Im Fall des obigen Fotos lief die Taube auf meinem Schuppendach umher, und als das Licht durch den Baum fiel, warf sie einen Schatten. Ein Motiv, das aus der Dunkelheit auftauchte.

Hintergrundbeleuchtung

Frühmorgens ist die richtige Zeit für diese Art der Beleuchtung: Der hintere Teil des Gartens liegt im Schatten, mein Hauptmotiv vorne im Licht. Der Hintergrund im Schatten dient als dunkler Hintergrund für mein randbeleuchtetes Motiv. Aber Achtung bei der Belichtung: Ich muss auf mein Motiv im hellen Licht belichten, üblicherweise per Belichtungskorrektur. Bei besonders grossen Helligkeitsunterschieden im Bild können bis zu -3 Blendenstufen nötig sein.
Für das Bild unten habe ich die Taube noch einmal auf meinem Schuppendach fotografiert. Dieses Mal jedoch war es später Abend und ich befand mich im hinteren Teil des Gartens. Ich positionierte mich so, dass die Taube vor dem Hintergrund des Daches des Nachbarhauses zu sehen war. Mit dem Licht, das von vor dem Haus kam, bot das hintere Dach einen dunklen Hintergrund, damit sich der Lichtschein perfekt abheben konnte.

Bedeckter Himmel

Dieses Licht ist ideal, um Details im Motiv zur Geltung zu bringen, zum Beispiel die Maserung des Fells oder Details in dunklen Motiven. Lasst euch also nicht entmutigen, wenn es viele Wolken gibt. Dieser Fuchs besuchte meinen Garten spät am Tag, als der gesamte Garten bereits im Schatten der nahe gelegenen Häuser lag. Das weiche Licht sorgte für eine gleichmässige Beleuchtung.

Silhouetten

Achtet genau auf die Umrisse: Eine Silhouette sollte klar erkennen lassen, um was es sich handelt – und zwar als saubere und schmeichelhafte Kontur. Dabei dürfen insbesondere keine Teile des Motivs verloren gehen: Eine Flügelspitze mag vor einem Ast gut aussehen, wenn Details sichtbar sind, aber als Silhouette würden Flügel und Ast verschmelzen. In meinem Garten habe ich zwei Möglichkeiten, mit Silhouetten zu spielen.
Die Aufnahme unten links stammt von der Taube auf meinem Schuppendach, fotografiert gegen die dahinter untergehende Sonne. Die Aufnahme rechts daneben habe ich an meiner Gartenmauer gemacht, am späten Nachmittag mit dem Himmel dahinter. Für Silhouetten lohnt sich immer die Frage: Wo kann ich ein Motiv gegen den Himmel fotografieren?

Tipp 3: Mit Blitz fotografieren

Mit Blitzlicht sind ganz andere Bilder möglich als ohne. Dabei sollten wir aber besonders bedacht vorgehen: Wer Wildtiere mit Blitz fotografieren will, sollte unbedingt eine Softbox nutzen. Wer keine zur Hand hat, der bastelt sich einfach selbst eine. Wie das geht, lernt ihr im MyNikon Magazin-Artikel "Do it yourself: Lichtformer selberbauen". Blitzlicht klingt immer kompliziert, muss es aber gar nicht sein. Ich stelle immer zunächst die Belichtung der Kamera so, dass das Umgebungslicht richtig eingefangen wird. Das ist dann meine Grundbelichtung. Den Blitz schalte ich auf den manuellen Modus, um die Grundbelichtung zu ergänzen. So werden dann lediglich die Schatten mit Blitzlicht ausgeleuchtet; der Rest des Bildes wird ohnehin ja schon wie gewünscht eingefangen.
Kreativer wird es, wenn wir den Blitz auf den zweiten Verschlussvorhang einstellen. So lässt sich die Bewegung gleichzeitig einfangen und einfrieren. Das funktioniert am besten bei sich schnell bewegenden Motiven, wie hier bei den Vögeln im Flug. Der Trick bei dieser Art von Bildern besteht darin, das Motiv im Licht zu haben, aber vor einem dunklen Hintergrund zu fotografieren. Denn weil wir mit langer Verschlusszeit fotografieren, um die Bewegung einzufangen, würde der Hintergrund dann massiv überbelichtet werden. Eventuell könnt ihr auch etwas in den Hintergrund stellen, z. B. ein dunkles Bettlaken oder ein Handtuch.
Bitte seid vorsichtig im Umgang mit Blitzlicht und Wildtieren. Das Wohlergehen der Tiere sollte immer an erster Stelle stehen. Also: Am besten Softbox nutzen, Blitz nicht auf volle Leistung stellen und nicht direkt in die Augen des Tieres blitzen.
Eine weitere Stufe beim Fotografieren mit Blitz: Tiere in der Dunkelheit. Das Schöne am Fotografieren bei Nacht ist, dass ihr die volle Kontrolle über das Licht habt, wenn ihr eine ausreichend kurze Belichtungszeit wählt, zum Beispiel 1/250. Andersherum taugt eine lange Verschlusszeit dazu, Umgebungslicht einzufangen oder auch den Nachthimmel im Bild sichtbar zu machen. Der Blitz wird dann zu Beginn der Belichtung ausgelöst. Das Blitzlicht sorgt dafür, dass das Tier im Bild scharf abgebildet wird, obwohl wir dann noch weiterbelichten, nachdem es sich schon weiterbewegt hat.
Es gibt zwei Möglichkeiten, um die Kamera nachts auszulösen - entweder mit einem Fernauslöser oder einem Bewegungssensor. Während Letzteres euch ermöglicht, den Aufbau unbeaufsichtigt zu lassen, funktioniert die Fernauslösung genauso gut, wenn es einem nichts ausmacht, ein paar Stunden am Fenster zu sitzen.

Tipp 4: Auch mal nach oben schauen

Es gibt einen Ort, an den die meisten Fotografen nicht denken, wenn sie Wildtiere zuhause fotografieren wollen: das Dach. Nicht unbedingt das eigene, auch das vom Nachbarn kommt infrage. Schaut am besten nach besonders schönen Dächern, mit schönen Giebeln und Firsten, und tollen Ziegeln – diese dienen im Foto als zusätzliches grafisches Element. Hier kommt nun eine lange Brennweite zum Einsatz. Zu lang muss sie aber gar nicht sein, denn die besten Bilder sind oft die, bei denen auch die Umgebung noch mit eingefangen wird. Erzählt eine Geschichte, bezieht ein schönes Licht ein, zum Beispiel von der untergehenden Sonne … Und vielleicht kommt die Szene auch für eine Silhouetten-Aufnahme (siehe oben) infrage. Wer nicht nur von unten, sondern auch von weiter oben aus den Fenstern oder von einem gegenüberliegenden Dach fotografiert, bekommt durch die erhöhte Position Bilder mit mehr Tiefe – und kann viel besser die Umgebung einfangen. Zum Schluss noch ein Tipp: Ist der Himmel grau, kann ein manueller Weissabgleich auf einen kälteren Kelvinwert die Stimmung so verändern, dass es aussieht, als wäre das Foto zur blauen Stunde aufgenommen worden.
Man weiss nie, was man vor die Linse bekommt! Während meiner Aufnahmen für diesen Beitrag habe ich zum ersten Mal gesehen, dass ein Rotmilan über meinen Garten flog. Ein wunderbarer Zufall – und ein schönes Bild für mein Portfolio! Also: Viel Spass beim Fotografieren zu Hause!

ALLE TIPPS VON TIERFOTOGRAF RICHARD PETERS IM VIDEO

In diesem Video erklärt euch Richard Peters seine Tipps & Tricks rund um die Tierfotografie im eigenen Garten, auf fremden Dächern oder vor dem Fenster. Viel Spass beim Ansehen und Ausprobieren! Hinweis: Dieses Video ist in englischer Sprache aufgenommen.